Roland Hanewald (*1942) hat sich als Offizier der Handelsmarine und auf intensiven Tropen-Reisen viel Erfahrung im Leben und Überleben in dieser Region erworben. D war ihm zu kalt, eng und langweilig. Auch fehlte das vernünftige Verhältnis zur Natur. Deshalb wanderte er 1968 aus und gründete auf der philippinischen Insel Luzon eine neue Existenz – mit einheimischer Frau und 4 Kindern. So konnte er in seinem „Tropenbuch“ (1981) auch manch richtige Erkenntnis über Erfolg und Mißerfolg gemischter Ehen vermitteln, bei denen die Gefahr einer Mesalliance „außerordentlich groß“ sei – besonders bei Thailänderinnen. Viele würden nur deshalb einen Deutschen heiraten, um nach schneller Scheidung in den Genuß bundesdeutscher Scheidungs-Regeln zu kommen. Die neuen sozialen Netze haben den Trend verstärkt, nachdem schon vorher den massenhaft interessierten asiatischen Damen Aussehen, Alter und persönliche Verhältnisse ihres zukünftigen „Sugardaddy“ völlig unwichtig sind. Rentner (83) in Thailand: „Ich war schon 4x verheiratet mit ner schönen Thai. Eine ist verstorben, und die anderen waren auf einmal nicht mehr da.“
Nach Hanewald sollte eine möglichst große Anzahl von Gemeinsamkeiten vorhanden sein. Wie langweilig! Sind Ehen mit sehr gleichartigen Partnern haltbarer? Mir war schon klar, daß es so gut wie keine Ähnlichkeiten mit meiner Exotin gab, aber gerade DAS war interessant, belebend und herausfordernd. Außerdem scheinen mir die gemeinsamen Projekte während der Ehe das Entscheidende für das Entstehen von Gemeinsamkeit zu sein, denn wer kennt schon seinen Partner wirklich, wenn er ihm gerade erst begegnet ist. Das anerkennt auch Hanewald im Buch: „Bei richtigem Management der Mittel, d.h. der Beiträge zweier Kulturen und Denkarten, bietet sich hier also die Möglichkeit an, einen gemeinsamen Lebenskomplex zu entwickeln, in dem die Andersartigkeit des Partners immer wieder fasziniert, und in dem immer neue Wendungen und Entdeckungen (wenn sie auch an den unvermeidlichen Turbulenzen nicht vorbeiführen mögen) von höchster Essenz für die Abwendung der Langeweile sind, die – als letzte Gemeinsamkeit – das Ende jeder Ehe einleitet … Je höher der Bildungsstand, desto müheloser ist im allgemeinen die Anpassung: Man hat keine falschen Vorstellungen und kann den unvermeidlichen Zusammenprall mit dem Neuen intellektuell verarbeiten; Probleme lassen sich artikulieren und derart lösen. Schwieriger ist es mitunter für viele einfachere Naturen, die vielfach über das Trauma der Entwurzelung nicht hinwegkommen.“ Dabei „steigen vor allem Frauen aus bescheidenen Hintergründen“ die Reizüberflutung und das vermeintliche Alles-haben-können zu Kopf „und führen letztlich zu einem Größenwahn, der sich ruinös auf die stabilste Beziehung auswirken muß„. Genau so war es. Die Welt kennenlernen, verschiedene Sprachen beherrschen, westliches Luxusleben und emanzipatorische Freiheit genießen, mit Geld spekulieren, plötzlich alles können und zur Verfügung haben – nur etwas Wesentliches nicht: kulturell gewachsene westliche Maßstäbe, die auf dualistischem Denken beruhen, Fähigkeit zur Analyse der eigenen Wünsche und Wege, zu deren Verwirklichung.
Der Gebildete trägt sein Potential in sich, die Ungebildete benötigt sich ständig erneuernde Außenreize. Das Klima in D zu kalt-feucht, auf Sulawesi zu schwül, das Essen entweder zu wenig oder zu stark gewürzt, die Ordnung erdrückend und diskrimierend oder zu chaotisch. Im Grunde gibt es für die mit sich selbst Unzufriedene keinen passenden Platz auf der Welt – außer sie wird zur Dauer-Reisenden. Da ich spürte, wie meine Frau in D litt, ich andererseits abenteuerlustig war, mich Natur und Kultur Indonesiens interessierten, und soziale Bezüge schon in D keine besondere Rolle spielten, wählte ich den Sprung in ihr Heimatdorf, den ich bis heute nicht bereue. Falsch war nur, meine Frau überschätzt zu haben – wobei offen ist, welche Chancen bestehen, einen orientierungslosen Menschen richtig einzuschätzen. „Die moderne Frau in den tropischen Städten hält nicht viel von dieser Zurück-zur-Natur-Bewegung. Sie kam vor nicht allzu langer Zeit gerade dorther und drängt mit Macht in die andere Richtung.“ Ich habe das damals gelesen, aber nicht auf meine Frau bezogen, denn wir hatten offensichtlich gemeinsame Ziele.
Nun befindet sie sich wieder fast ganz unten. Sie, die keine Lust mehr zum Kochen hatte, muß jetzt als alte Frau um 4Uhr morgens für eine Kuchen-Bäckerin arbeiten, um ihre Schulden bezahlen zu können, und ist von ihren Zielen meilenweit entfernt.
Ich dagegen lebe zwar allein – was für mich vielleicht sowieso der angemessenste Zustand ist – aber immerhin an einem selbstgestalteten Ort meiner Sehnsucht. Nur der Tod droht noch unangenehm zu werden. Jedoch gilt auch dafür: “If you feel unwell, take a vacation – you can’t afford to die in Germany.”
Und wie ging es mit Roland Hanewald weiter? Im Internet fand ich dazu fast nichts, außer: Er lebte einige Zeit auf den Philippinen und seit 1995 in Friesland. Kalt, eng und langweilig?
Das sagt mir was.