Nachtgedanken

Wenn das Blut aufgehört hat, in die Kloschűssell zu tropfen, um mir zu verdeutlichen, wie morsch ich innen schon bin, reinige ich mich und setze mich zum Morgenkaffee. Nur wenig Schmerzen im Augenbereich, relativ freies Atmen durch die Nase. Überm Pazifik-Horizont glűht es rot. Die aufdringlichen Protestanten schlafen noch. Vielleicht – begnadet mit zunehmender Schwerhörigkeit – nehme ich ihr Sehrlautsprecher-Geschwätz auch gar nicht mehr so wahr – um 5Uhr morgens. Dazu rauscht das Wasser stark vom täglichen Regen. Die Blutsalmler im Aquarium, noch schlaftrunken, műssen erst wieder ihren Farbgenerator anknipsen. Isuroh Shimoda liebt und lamentiert, ein unbekanntes japanisches Meisterwerk voller sanfter Anmut, wie es sie hier nicht gibt. Einige der traditionellen Stűcke hörte ich damals im Morgengrauen in der großen Stadt, wenn ich vom LSD-Trip runterkam und wußte: Ich muß da raus. Der einsame Bulbul flötet sein Morgenlied zu den Tönen einer Shakuhachi. Im Tageslicht werde ich sehen, wie er dabei seinen Schopf aufstellt. Ein anderer antwortet ihm in der Nähe der Villa Ludendorff.
Ich habe gut geschlafen, mich schon um 21Uhr auf die Matratze geworfen und geträumt, ich wäre nach Japan ausgewandert und hätte dort in einem alten, aufgegebenen Bauernhaus gesiedelt. Das Sprachproblem wäre noch größer gewesen, und die Bilder von atmenden und aufreißenden Böden erschreckend. Selbst bei gleichen Werten auf der Richterskala sind Erdbeben hier nicht bedrohlich. Das Eindringen von Bären in die leeren Dörfer wäre mir auch unangenehm geworden. Es bleiben also nur Nachtgedanken űber ein anderes Leben. Sie ändern nichts daran, daß es recht kurz ist, und man sich mit dem Bewußtwerden beeilen muß, um seine Zeit nicht zu vergeuden.
Im Lagerraum befindet sich wieder ein von einer illegalen Kuh abgehacktes Seil. Selbes Rind, neues Seil. Das műßte diesem hinterhältigen Wilden doch mal zu teuer werden. Dann gehe ich raus, um meine 4 Katzen zu fűttern. Die fressen wie die Wölf und ohrfeigen sich dabei gegenseitig. Im gleißend-frischen Morgen reiße ich in meinem Märchenwald Schlingpflanzen von den Bäumen, die versuchen, die Wűrgerfeigen zu erwűrgen. Erschöpft sitze ich danach auf einem Stein und sinusse autistisch zum Gesang der Zikaden.

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