Was tue ich hier?

Torweg

Als ich durch die Schiebetüren meines Ateliers die Teich-Oberfläche betrachtete, und mich die fließenden Rippel des spiegelnden Wassers davonzutragen schienen, überlegte ich, wie ich das wohl unter Einwirkung von LSD sähe. Würde ich plötzlich mit dem Gefühl innehalten, vor lauter Arbeit nicht mehr zu erleben, was ich hier aufgebaut habe. Immer nur weiter, ein Bild nach dem anderen, und genießen würden es andere?
Zu den auffälligen Erlebnissen jener chemisch hervorgerufenen Bewußtseins-Veränderung gehörte immer, daß ich plötzlich andere Wege ging, meine Umwelt aus anderen Perspektiven wahrnahm, als ob ich das sich nie erschöpfende Angebot an sensationellen Details vorher nicht wirklich gehört und gesehen hatte. Ich verlöre das Zeitgefühl, würde Minuten intensiv wie in Zeitlupe erfahren, bewegte mich wie ein Schlafwandler durch meinen Dschungel, Ideen für weitere Gestaltung überstürzten sich in meinem glühenden Hirn, und ich würde nur noch glotzen und lauschen.
Oder würden die Gefühle plötzlich umschlagen, ich nur noch den Verfall sehen, vergammelte Wände, Wurzeln, die nach mir griffen, schweißnasse Haut, die sich aufzulösen droht, überall Ameisen, die an mir rumnagten, wenn ich nur stehenbliebe?
Ich habe LSD lange Zeit als großartiges Lernmittel empfunden. Allerdings gab es schon in D keine Lernmittel-Freiheit. Hier darf man sich totsaufen, totfressen, totfahren, auch totbeten (weil man ärztliche Hilfe versäumt), doch alle anderen Drogen ziehen schwerwiegende staatliche Sanktionen auf sich – was allein schon Angst-Vorstellungen auslösen kann. Vordergründig gibt LSD einen gewaltigen kreativen Schub, den man weder sofort umsetzen kann, noch sind andere in der Lage, ihn nachzuempfinden, weil jeder sein eigenes Erlebnis-Niveau hat. Banales wird eventuell als atmend gesehen, typisch auch die Umsprungs-Bilder, wie sie Dali vielfach verwendet hat, um Traumhaftes zu rekonstruieren und kalkuliert anzureichern. Denn um Rekonstruktion handelt es sich. „Die Zeitdauer, die der Maler benötigt, um komplizierte autosymbolische Vorgänge bildlich darzustellen, steht immer im Widerspruch zur ‚emotionalen Bewegtheit‘ alles Psychischen.“ (R. P. Hartmann). Es wird weniger eine völlig absurde Optik auftauchen, als vielmehr das Vorhandene umgedeutet, eventuell mythologisch aufgeladen und verknüpft, bis hin zu einer modifizierten Sicht auf das eigene Leben und dessen Zukunft. Farben glühen, das Raum-Empfinden verändert sich, Texturen erscheinen plastisch, das Tonempfinden wird sensibilisiert. Musik, die überrolt und vergewaltigt, Gesang, der einen anschreit, fällt durch die Maschen eines neuen Netzes, das nach Perlen fischt. Als dauerhaft auf dem Trip erträglich blieb letztlich nur japanische Folklore übrig, die Raum läßt für die natürliche Umgebung, weil aus ihr erwachsen, ebenso wie das natürliche dem künstlichen Licht vorzuziehen ist.

choice

Was also tue ich hier? Um Natur in einer weitgehend ursprünglichen Weise erleben zu können, kämpfe ich ständig mit Insekten und mit Überangeboten von Wasser, Wind und Hitze. Um die Schönheit einer einmaligen Insel genießen zu können, befinde ich mich ständig im Clinch mit Betrügern, Dieben und rücksichtslosen Idioten. Ganz offensichtlich gibt es Harmonie nicht zum Nulltarif und Lust nur in begrenzten Portionen, deren Reiz dazu noch abnimmt. Dauerhaft gleichförmige 1000Volt-Erlebnis-Qualität ist im Kosmos gar nicht vorgesehen und würde sich letztlich zur Überanstrengung entwickeln. Friedensreich Hundertwasser, der keine Erfahrung mit LSD sondern nur mit einem klinischen Psilocybin-Horror-Trip hatte, sah das so: „Ich bin dafür, daß im nüchternen Zustand Gebilde gemacht werden, die verrückt sind und so wirken, als wären sie unter Rauschgift-Einfluß entstanden; daß also wirklich paradiesische Zustände mit nüchternen Sinnen geschaffen werden. Das ist das einzig Wahre und Wirkliche, das einzig Menschenwürdige, was wir haben. Das andere ist Flucht und Feigheit.
Zum Beispiel Venedig: Das ist eine Stadt, die so dasteht, als wäre sie ein Traum, ein Rauschgifttraum; aber hätten die damaligen Venezianer Rauschgift genommen, dann hätten sie wahrscheinlich Venedig nicht bauen können, und es wäre Morast geblieben. Die Stadt Venedig wäre nur im Rausch vorhanden gewesen. So aber haben sie die Stadt tatsächlich gebaut, und das ist doch besser so.“
Die Stadt Manado wurde offensichtlich unter Alkohol-Einfluß konzipiert. Dafür bietet sie das größte Angebot an Radiergummis, das ich je gesehen hab.

altes-Kino

6 Gedanken zu „Was tue ich hier?

  1. Nee, lieber nich. Früher wurden solche Pilze auch auf Bali angeboten, aber alle Beschreibungen berichten von körperlichem Unwohlsein in der Anfangsphase (z.B. Erbrechen), das LSD nicht hat.

  2. Aaaalso – ein Bierchen in Ehren, ein Weinchen zur Ermunterung und ein Champanchen zum anstossen – nö, verachte ich gar nie nicht…. 🙂

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